Die ehem. Zisterzienserabtei in Raitenhaslach aus der Vogelperspektive © H. Roth
Der bayerische Edelfreie Wolfger von Tegernbach gründete 1143 in Schützing an der Alz ein Zisterzienserkloster, das mit Mönchen aus dem Kloster Salmannsweiler (heute Salem am Bodensee) besiedelt wurde. Erzbischof Konrad I., der eine zielstrebige Klosterpolitik verfolgte, verlegte die Abtei 1146 auf damals salzburgischen Besitz in Raitenhaslach. Sie gilt als das älteste Kloster dieses Reformordens in Ober- und Niederbayern. Eine Siedlung Raitenhaslach am Hochufer der Salzach wird 798 erwähnt; wahrscheinlich bestand dort bereits im 8. und 9. Jahrhundert ein kleines Kloster (cella), das in einer – allerdings gefälschten – Urkunde König Ludwigs des Kindes genannt wird. Die seelsorgliche Betreuung der Bevölkerung wurde ab 1203 von den Zisterziensern wahrgenommen. Durch die sich verfestigende Macht der Wittelsbacher als Inhaber der Grafschaft Burghausen wurde seit Mitte des 13. Jahrhunderts der Einfluss der Salzburger Erzbischöfe auf das Kloster immer mehr zurückgedrängt, da ab 1258 die neuen bayerischen Landesherren das Vogteirecht über das Kloster ausübten. Neben der Seelsorge, der Förderung von Landwirtschaft und Forstkultur entfaltete der Orden schon früh ein reiches wissenschaftliches und künstlerisches Wirken. 1397 wurde dem Raitenhaslacher Abt vom Papst als erstem der altbayerischen Zisterzienserklöster der Gebrauch der Pontifikalien, also von Stab, Inful und Brustkreuz verliehen. Das Kloster gehörte zu den bestdisziplinierten Ordensniederlassungen in Altbayern und zeichnete sich selbst im 16. Jahrhundert durch Reformbereitschaft und Erneuerungswilligkeit aus. Im Zeitalter des Barocks erreichte Raitenhaslach durch die Stärkung seiner Wirtschaftskraft und die intensive Pflege von Kunst, Wissenschaft und Musik eine letzte Blüte. Mit der Säkularisation des Klosters 1803 endete dieses religiöse und geistige Zentrum an der Salzach. In der Folge wurden zahlreiche Gebäude des weitläufigen Gevierts der Anlage abgebrochen: der Bibliotheksbau, das Refektorium, der mathematische Turm, der westliche Trakt mit der Klosterpforte und die Pfortenkapelle. Die übrigen Gebäude, wie der Prälatenbau, gingen in Privatbesitz über. Die nach dem Zweiten Weltkrieg sich bietende Gelegenheit, vertriebene Zisterzienser aus dem böhmischen Kloster Osek (Ossegg) anzusiedeln, scheiterte 1949 am Tod des als Pfarrvikar hier wirkenden Abtes Eberhard Harzer.
Der Bau einer dreischiffigen romanischen Basilika zu Ehren Mariä Himmelfahrt in der Länge von 60 m, der Breite von 17,6 m und einer Mittelschiffhöhe von 14,3 m fand 1186 seinen vorläufigen Abschluss mit der Weihe von sieben Altären. Der Grundriss blieb trotz wechselnder Ausstattung im Stil der jeweiligen Zeit unverändert, bis 1746 der Innenraum auf der Grundlage des romanischen Vorgängerbaues die heutige barocke Wandpfeileranlage erhielt. Maurermeister Josef Vilzkotter leitete den Umbau. Die groß dimensionierten Deckenfresken mit Szenen aus dem Leben des Ordenspatrons, des hl. Bernhard von Clairvaux, schuf Johann Zick, der prächtige Stuck wird Michael Zick und Johann Baptist Zimmermann zugeschrieben. Der mächtige Hochaltar, der das Kirchenschiff vom dahinter liegenden ehemaligen Mönchschor trennt, zeigt das großformatige Bild mit der Darstellung Mariä Himmelfahrt von Johann Zick (1738) mit den überlebensgroßen Plastiken St. Georg, St. Benedikt, St. Bernhard und St. Pankratius. Die zehn Seitenaltäre mit gewundenen Stuckmarmorsäulen weisen u. a. zwei Gemälde von Johann Michael Rottmayr (1697/98), von Johann Zick und Eustachius Kendlbacher und Plastiken in Polierweißfassung auf. In den Seitennischen Grabdenkmäler der Äbte aus dem 15./16. Jahrhundert. Auf dem umlaufenden Gesims am Gewölbeansatz 136 Wappen der Wohltäter des Klosters und der hier begrabenen Geschlechter aus dem bayerischen und österreichischen Raum. Aus dem Haus Wittelsbach fanden hier sieben Personen ihre Grablege, darunter Herzog Ludwig der Gebartete (1447) und die Herzogin Hedwig (1502). Im Vorraum links das „Heilige Grab“ mit bühnenartigem Kulissenaufbau und allegorischen Figuren, rechts zur Weihnachtszeit die Krippe mit großen Figuren aus der Mitte des 18. Jahrhunderts. Im Jahr 2003 konnte die Stadt Burghausen aus Privatbesitz den ehemaligen Prälaturtrakt mit der zum Teil noch aus der Klosterzeit stammenden künstlerischen Ausstattung erwerben, darunter die ehemalige Abtkapelle und den „Steinernen Saal“ mit dem 1764 von Martin Heigl geschaffenen Deckengemälde mit der Darstellung der vier Elemente.
Ehem. Gästetrakt in Raitenhaslach, inzwischen von der TU München genutzt © H. Roth
Während die historischen Räume unverändert bleiben, wird der ehemalige Gästetrakt künftig von der Technischen Universität München als Tagungsstätte genutzt werden (www.raitenhaslach.tum.de).
Autor/in: Hans Roth