Empfing – Traunstein

Broschüre:
Empfing © Stadtarchiv Traunstein

Wildbad gegen das „blöde Gesicht“

„Erstlich dienet das Wildbaad, allerlei Flüße des ganzen Leibs auszutrocknen und zu verzehren, als nämlich böse Flüße des Gehirns oder Haupts, so abschießen auf die Zähn oder Brust, die, so rinnende Augen haben und ein blödes Gesicht, heilt es wohl, wie auch Flüße in Ohren oder das Sausen darinnen. […]“ Dieses Zitat leitet ein geradezu euphorisches Gutachten ein, das 1584 die Leibärzte Wilhelms V. „des Frommen“, Hieronymus Faber und Johann Heinrich Ginzinger, auf Bitten von Bürgermeister und Rat der Stadt Traunstein erstellt hatten. Das Wasser half demzufolge „ungesunden und schadhaften Personen“ gegen fast alle Krankheiten und Gebrechen – sogar gegen ein „blödes Gesicht“, worunter man damals allerdings die Kurzsichtigkeit verstand. Als man 1958 die nutzung des nach dem Wittelsbacher Landesherrn benannten „Herzog-Wilhelm-Brunnens“ für die Versorgung mit Trinkwasser aus hygienischen Gründen endgültig untersagte, bot sich den Verantwortlichen hingegen ein völlig anderes Bild: Eine chemische Analyse hatte ergeben, dass es sich lediglich um eine „einfache kalte Quelle“ handelt, „die sich kaum in irgendeiner Eigenschaft von den normalen Kalkschottergewässern Südbayerns“ unterscheidet – das traurige Ende einer mehr als vier Jahrhunderte währenden Geschichte.

Empfing © Stadtarchiv Traunstein

Sie begann 1547, als das etwa 1,5 km nördlich der Stadt am linken Traunufer gelegene „Bad zu Empfing“ in der Kammerrechnung erstmals schriftlich erwähnt wird. 1581/82 wurde es in die nahe Brunnwiese verlegt, bevor es 1616 wegen der häufigen Störanfälligkeit der Quellwasserleitung an seinen angestammten ort zurückkehrte. Dort badeten die Stadtbewohner – räumlich getrennt in ein Männer- und Frauenbad – und genossen die angenehme Zerstreuung und Verköstigung. Geöffnet war das Bad von Anfang Mai bis Mitte Juli („Mai- oder Frühlingsbad“) sowie von Ende August bis Ende September („Herbstbad“). Seltener gaben sich auch auswärtige Besucher die Ehre, so 1775 Maria Anna „Nannerl“ Mozart. 1849 erwarb Johann Seywald die 1809 privatisierte ehemalige städtische Badeanstalt. Er und später sein gleichnamiger Sohn bauten sie zu einer von Gästen aus nah und fern geschätzten Einrichtung der aufstrebenden Kurstadt Traunstein aus.

Postkarte © Stadtarchiv Traunstein

Das Mineral- und Solebad am Klosterberg (seit 1844), das Marienbad an der Ludwig-Thoma-Straße (erbaut 1861), das Prinz-Ludwig-Heim an der Wasserburger Straße (1912 eingeweiht) sowie die Wandelhalle an der Haslacher Straße (1913 eröffnet) belegen die damaligen Ambitionen. 1918 errichtete Johann Seywald jun. auf seinem Gelände auch eine „Mineralwasserfabrik“ und füllte fortan „Empfinger Tafelwasser“ sowie verschiedene Limonaden ab. Der Erste Weltkrieg versetzte den kurstädtischen Ambitionen einen herben Rückschlag, von dem sich der Kurort Traunstein nicht mehr erholen sollte.

Genesungsheim der Reichsbahn, Postkarte um 1930 © Stadtarchiv Traunstein

Schon 1921 erwarb die Reichseisenbahn die Empfinger Einrichtung und wandelte sie in ein staatliches Erholungsheim für seine Beschäftigten um. „Wahrlich ein stattliches Heim, von außen wie von innen“, so das damalige Urteil des Traunsteiner Wochenblatts. Vier Jahrzehnte später war auch diese Epoche zu Ende: 1964 gab die Bundesbahnversicherungsanstalt den Betrieb auf, die Herstellung von Tafelwasser und Limonaden, für die man zuletzt ohnehin nur mehr das städtische Leitungswasser verwenden durfte, wurde gleichfalls eingestellt. 1977 gingen die verbliebenen Realitäten endgültig in private Hände über. Aus dem einst stolzen „Wildtpadt“ wurde ein Fabrikgebäude für Vorhangstangen. Die Quelle selbst ist heute nicht mehr öffentlich zugänglich.

Gedrucktes Gedicht eines unbekannten Kurgastes, 1864 © Stadtarchiv Traunstein
Bügelflasche zur Abfüllung des Herzog-Wilhelm-Brunnens © Stadtarchiv Traunstein
Der Türklopfer am alten Portal des Kurhauses erinnert an vergangenen Glanz © Stadtarchiv Traunstein
Autor/in: Franz Haselbeck