Die Klosteranlage, Wandgemälde in der ehem. Prälatur, Ende 18. Jh. © C. Soika
Archäologische Untersuchungen ergaben, dass die Anfänge des Männerklosters in das erste Drittel des 7. Jahrhunderts zurückreichen. Sie bestätigen den Bericht des Chronisten Aventin, der die Gründung der Missionstätigkeit des Abtes Eustasius von Luxeuil († 629) in Bayern zuschreibt. Im 8. Jahrhundert stand die Abtei in engen Beziehungen zu den bayerischen Herzögen aus der Dynastie der Agilolfinger. Hier erhielten nach 743 die Fürstensöhne Cacatius und Cheitmar, die von den slawischen Karantanen als Geiseln gestellt wurden, ihre christliche Erziehung. Der irische Missionar und Bischof Dubdá Chrich (Dobdagrecus), ein Gefährte des hl. Virgil, übernahm nach seinem Abgang aus Salzburg um 750/60 die Leitung der Abtei. Damit wurde die schon seit der Gründung vorhandene irische Ausrichtung, wohl nach der Regel des hl. Columban, weiter verstärkt. Der Fund eines insularen Schreibgriffels weist auf die Anwesenheit irischer Mönche hin. Nach dem Sturz Herzog Tassilos III. 788 übertrug Karl der Große das dem Herzog besonders eng verbundene Kloster an seinen Erzkaplan Angilram von Metz. Unter der direkten Leitung der Metzer Bischöfe wurde aus dem Mönchskloster Herrenchiemsee ein Kollegiatstift, das König Arnolf 891 an das Erzbistum Salzburg schenkte. Brandspuren weisen auf Zerstörungen durch die Raubzüge der Ungarn, vor denen man sich durch den Bau einer Abschnittsbefestigung auf der Herreninsel zu schützen suchte, hin. Nachdem sich Erzbischof Herold von Salzburg am Aufstand der Luitpoldinger gegen König Otto I. beteiligt hatte und abgesetzt wurde, zog Herzog Heinrich von Bayern das Kloster an sich. Als Kaiser schenkte es Otto I. 969 erneut an das Erzbistum Salzburg.
Das mittelalterliche Klosterareal auf der Herreninsel mit den Resten des „Inseldoms“ während der Ausgrabungen 1983 © C. Soika
Erzbischof Konrad I. (1106-1147) wandelte im Rahmen seiner Klosterreform das Kollegiatstift Herrenchiemsee vor 1129 durch die Einführung des Ordenslebens nach der Regel des hl. Augustinus in ein Augustiner-Chorherrenstift um. Das Stift wurde dadurch aufgewertet, dass der Propst als Archidiakon von Chiemsee die Aufsicht über zahlreiche Pfarren im Chiemgau und im angrenzenden Tirol erhielt und der Konvent zugleich das Domkapitel des 1216 errichteten Salzburger „Eigenbistums“ Chiemsee bildete. Wegen der Konkurrenz des Propstes von Herrenchiemsee residierte der neue Bischof nie auf der Herreninsel, die nur den nominellen Bistumssitz bildete. An die Stelle des bereits im 8. Jahrhundert belegten Patroziniums Christus Salvator traten nach dem Neubau der Stiftskirche im 12. Jahrhundert die Hll. Sixtus und Sebastian. Eine Blüte erlebte das Stift im 15. Jahrhundert, in dem auch der Umbau der Stiftskirche im Stil der Gotik durchgeführt wurde. Eine Periode des Niedergangs in der Zeit der Reformation und des Dreißigjährigen Kriegs wurde Ende des 17. Jahrhunderts aufgefangen. Trotz einer späten Blüte von Bildung, Kunst und Kultur wurde das Stift im Frühjahr 1803 im Zuge der Säkularisation in Bayern aufgehoben und die gesamte Herreninsel samt allen Gebäuden und dem Inventar versteigert.
2. Die ehemalige Dom- und Stiftskirche, die einst das Erscheinungsbild der Insel prägte, bietet heute einen traurigen Anblick. Der Türme beraubt, teils abgerissen, wurde sie zu einem Bräuhaus umgebaut. Nach der Sanierung von Dach und Außenfassade stehen Restaurierung und Revitalisierung im Inneren noch aus. Die einstigen Klostergebäude lassen den ehemaligen Reichtum der Ausstattung nur noch erahnen. Lediglich der so genannte Kaisersaal mit seiner beeindruckenden Ausmalung, die zwischen 1713 und 1715 entstand, und das Fürstenzimmer zeigen noch die alte Pracht. In den restaurierten Räumen sind heute das Stiftsmuseum, die Galerie „Maler am Chiemsee“, die Werke des Malers Julius Exter und eine Gedenkstätte für den Verfassungskonvent von Herrenchiemsee 1948, bei dem wichtige Voraussetzungen für das deutsche Grundgesetz erarbeitet wurden, untergebracht.
Neben dem Dom befindet sich die ehemalige Pfarrkirche St. Maria. Das 1630 erneuerte Innere der spätgotischen Kirche besticht u. a. durch die Eleganz der Farbgebung in weiß, schwarz und gold und die gemäldegeschmückte Kassettendecke. Der Renaissance-Bilderzyklus stellt die Mariensymbolik und die Verherrlichung der Gottesmutter dar.
Autor/in: Dr. Christian Soika