Das Territorium von IUVAVUM (C. Uhlir & K. Schaller, 2007) Im nördlichen NORICUM – und dazu gehört das Territorium von Iuvavum – wurde für die Herstellung von Grab- und Weihemonumenten Material von allen geologischen Großeinheiten der Region verwendet. Dies waren Granite, Gneise und Marmore der Böhmischen Masse, tertiäre und quartäre Sandsteine und Konglomerate der Molassezone, Sandsteine aus der Flyschzone, verschiedenfärbige Kalksteine und Kalksandsteine der Kalkalpen sowie Marmore der Schladminger und Radstätter Tauern.
„Minderwertige“ Sandsteine und Konglomerate sowie nur schwer zu bearbeitende Gneise und Granite wurden vorwiegend im lokalen Bereich verwertet, hochwertige Kalksteine und Marmore stattdessen meist regional und überregional genutzt.
Portraitstele des Quintus Munatius Lupus © O. Harl 2004
Die bedeutendsten Marmorvorkommen finden sich im Raum Melk (Niederösterreich) und in der Tauernregion, d. h. in Öblarn/Sölk (Steiermark) und in Schaidberg (Radstätter Tauern/ Salzburg). Im Raum Melk finden sich der Hiesberger und Häuslinger Marmor in Form von kleinen, lang gestreckten Linsen. Diese haben eine Länge von bis zu 200 m und eine Mächtigkeit von 10 bis 30 m. In dieser kalkarmen Region wurden die Marmorvorkommen wohl in erster Linie zur Herstellung von Brandkalk für militärische und zivile Bauten, aber auch zur Erzeugung von Werksteinen genutzt. Die Qualität der Marmore ist schwankend. Sie reicht von relativ reinen grauen bis zu schlierigen, gebänderten und dunkelgrauen Marmoren mit den Nebengemengteilen Hellglimmer, Hornblende und Pyrit. Der Pyritgehalt im reinen hellgrauen Häuslinger Marmor wirkt sich äußerst negativ auf dessen Verwitterungsverhalten aus; das Gestein beginnt bereits nach etwa 50 Jahren zu zerfallen. Deshalb wird es vorwiegend im lokalen Bereich verwendet. Mit dem wesentlich minderen Hiesberger Marmor, der zum Teil dunkelgraue Schlieren und häufige Hornblendekristalle aufweist, wurde hingegen im nördlichen NORICUM und in den umliegenden Gebieten gehandelt. Der mittelalterliche und neuzeitliche Steinbruchbetrieb überdeckte etwaige antike Abbauspuren.
Relief eines Grabbaues © O. Harl 2004
Die Marmorvorkommen in den Hohen Tauern sind im Nahbereich der Passstraßen trotz ihrer geringen Ausdehnung genutzt worden. Schaidberger Marmor ist in IUVAVUM für Bauteile größerer Grabbauten sowie für Meilensteine des severischen Straßenbauprogramms belegt.
Dieser hochwertige gelbliche Marmor tritt in seiner Verwendung aufgrund der schwierigen topographischen Verhältnisse deutlich gegenüber den Marmoren der Region von Melk zurück. Alte Abbauspuren (Schrote) beim Vorkommen des Schaidberger Marmors zeugen von einem systematischen Steinbruchbetrieb.
Altar, geweiht von Duumviri © O. Harl 2004
In den Nördlichen Kalkalpen ist die Gosau Kalkbrekzie des Untersberges (Kreidezeit, Gosauformation) bei Salzburg in großem Ausmaß genutzt worden. Dieses bezüglich Verarbeitung und Verwitterungsbeständigkeit äußerst hochwertige hellgelbliche bis hellrosa Gestein ist außergewöhnlich dicht und kompakt. Es wird wegen seiner guten Polierbarkeit noch heute „Untersberger Marmor“ genannt. Antike Abbauspuren sind wegen der extensiven mittelalterlichen und neuzeitlichen Nutzung nicht mehr vorhanden; es sind jedoch im Abraum Bruchstücke von Urnen, Säulen und das so genannte „Bildhauerlehrstück“ gefunden worden. In geringem Ausmaß wurde auch der „Adneter Marmor“ in seiner Variante als dunkelroter Kalkstein verwendet. Ob es tatsächlich bei Adnet Abbaue gegeben hat oder ob die „Vigauner Findlinge“ entlang der Römerstraße verwendet wurden, konnte nicht geklärt werden.
Altarfragment © C. Hemmers / St. Traxler 2006
Bisherige Forschungsergebnisse erlauben einen Einblick in die Geschichte des Steinabbaus und –transports des nördlichen NORICUMS, dennoch sind viele Fragen offen. Ziel folgender Forschungsprojekte wird es sein zu ermitteln, welche sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen hinter dem Steinhandel standen und wer die Steinbrüche betrieben hatte. Weiters soll das Augenmerk zukünftiger Forschungs-arbeiten auf die Logistik der umliegenden Gegenden der Steinbrüche gelegt werden. Es stellt sich die Frage, ob Schneisen, Straßen und/oder Wege vorhanden waren. Außerdem gilt es herauszufinden, wo Werkstätten zu suchen sind, ob Wanderhandwerker (für die Feinbearbeitung von Steindenkmälern) existierten, wer die Anfertigung von Steindenkmälern in Auftrag gab und inwieweit Auftraggeber Einfluss auf das verwendete (bzw. zu verwendende) Material nahmen.
Bildhauerlehrstück © C. Hemmers / St. Traxler 2006
Zudem ist zu ergründen, ob die Steindenkmäler zum Teil oder gänzlich in den Steinbrüchen gefertigt wurden und ob sich Zusammenhänge zwischen der Verwendung hochwertiger Materialien und der Erstellung hochwertiger Bildhauerarbeiten finden lassen.