Bad Reichenhall auf einem Werbeplakat von Edward T. Compton, 1905. © J. Lang Mutter vieler Städte
Geschichte
Der Ortsname ist abgeleitet vom althochdeutschen Wort hal , halla in der Bedeutung Salzbergwerk, Saline. Zur Unterscheidung von gleichnamigen Orten setzte sich seit dem frühen 14. Jahrhundert die Form Reichenhall durch, der Zusatz „Bad“ kam 1890 hinzu. Während sich im Weichbild der historischen Stadt – am Fuße des Karlsteiner Burgberges – Siedlungsspuren für ein metallurgisches Zentrum aus der Frühbronzezeit nachweisen lassen, ist eine prähistorische Siedlung bei den Solequellen bislang nicht bekannt.
Gleichwohl gibt es vielfältige Hinweise auf eine vorchristliche Salzerzeugung, die zur Zeit der römischen Besatzung einem ersten Höhepunkt zusteuerte und dem zugehörigen Ort den Namen Salinas verlieh. Die wertvollen Solequellen gelangten während der Baiuwarenzeit in den Besitz der Führungselite und später durch Schenkungen an verschiedene Kirchen und Kloster. Eine Gründungslegende besagt, dass der hl. Rupertus im Jahre 696 die während der Völkerwanderungszeit verschütteten Solequellen auf wundersame Weise wieder entdeckt habe, woran sich die Entstehung des Ortes Reichenhall angeschlossen habe. Tatsächlich beginnt um das Jahr 700 die auf Quellen beruhende Geschichtsschreibung Reichenhalls, nachdem der bayerische Herzog Theodo den hl. Rupertus mit einem Drittel der Saline beschenkt hatte. Ein äußerst dynamischer Entwicklungsprozess führte in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts zur Entstehung einer mit Mauern und Türmen umgürteten Stadt, die im Jahre 1159 als solche („civitas“) erstmals urkundlich Erwähnung findet.
Am Fuße und auf den Gipfeln der markanten Karlsteiner Felsen entstanden am Ende der Jungsteinzeit menschliche Siedlungen. © J. Lang
Die früheste Ansicht Reichenhalls um 1580. Über dem Ort standen fast ständig dichte Dampf- und Rauchwolken, die von der Soleversiedung herrührten. © J. Lang
Die Burg Karlstein, davor die Kirche St. Pankraz, um 1700. © J. Lang
Das Renaissanceschloss Marzoll um 1850. © J. Lang
Wenig später wird ein Stadtrichter genannt. Ebenfalls im 12. Jahrhundert ist von einem Markt die Rede, ohne dass eine bestimmte Marktrechtsverleihung überliefert ist. Nach mehrmaligen Zerstörungen verlagerte sich der ursprünglich wohl vor der Saline situierte Markt zum Platz vor der Ägidikirche. Während des 13. Jahrhunderts tobte zwischen dem Bayernherzog und dem Salzburger Erzbischof ein verbissener Streit um den Besitz der Stadt, woraus der Herzog als Sieger hervorgegangen ist.
Seit dem ausgehenden 13. Jahrhundert ist der Stadtrat („Rat der Sechzehn“), seit dem frühen 16. Jahrhundert der Bürgermeister quellenmäßig fassbar. Bei den Auseinandersetzungen zwischen den Patriziern des Rates und der Bürgergemeinde musste der Herzog wiederholt eingreifen, ehe es durch die Verstaatlichung der Saline zu Ende des 15. Jahrhunderts zu einer Entmachtung des Salzpatriziats kam.
Dem drohenden Schicksal, zu einer Stadt verarmten Proletariats herabzusinken, entging Reichenhall durch die erfolgreiche Etablierung des Hauses „Achselmannstein“ als Kurbad im Jahre 1846. 1890 erhielt Reichenhall den Namenszusatz „Bad“, neun Jahre später wurde der Ort in den Reigen der königlichen Bäder aufgenommen (heute: Staatsbad). Seither ist das Bäder- und Kurwesen zum bestimmenden Faktor in der Entwicklung der Stadt geworden, deren Fläche 1906 durch die Gemeinde St. Zeno und 1978 durch die Gemeinden Karlstein sowie Marzoll bedeutend vergrößert werden konnte.
Vor dem Ersten Weltkrieg genoss Bad Reichenhall den Ruf eines „Weltbades“. Nach dem Krieg folgten Jahre der Rezession, begleitet von Zusammenbrüchen und Konkursen namhafter Häuser. 1945 wurde die Stadt Opfer eines alliierten Bombardements, wobei über 200 Menschen ihr Leben verloren. Zudem hatte die Stadt mit Tausenden von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen sowie der Besatzungsmacht eine enorme Bürde zu tragen. Nach der Währungsreform des Jahres 1948 avancierte der Ort erneut zu einem bekannten und namhaften bayerischen Heilbad. 1972 büßte Bad Reichenhall seinen Status als kreisfreie Stadt ein und ist seither „Große Kreisstadt“.
Ortsbild
Die Ursprünge der späteren Stadt liegen im Bereich der Solequellen, die als wertvoller Schatz vor der wiederholt Hochwasser führenden Saalach geschützt werden mussten. Diese Bemühungen führten dazu, dass sich der Flusslauf immer weiter in Richtung Nord-West verlagerte, wodurch die bis heute signifikante S-Kurve der Saalach entstanden ist. Die frühesten datierbaren Siedlungsspuren aus dem 9./10. Jahrhundert befinden sich in der so genannten „Oberen Stadt“, wo auch der in den Quellen erwähnte Königshof zu vermuten ist. Da die Salzburger Güterverzeichnisse vor dem Jahre 800 die St.-Johannis-Spitalkirche erwähnen, scheint die dazu gehörige Siedlung schon damals die Ausmaße der späteren hochmittelalterlichen Stadt erreicht zu haben. Zur ummauerten Stadt in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts gehörte die „Hallburg“ auf dem Streitbichl. Um 1159 entstanden die Ägidikirche und 1181 die Nikolauskirche, während sich das 1136 gegründete Augustiner-Chorherrenstift St. Zeno eine Viertel Gehstunde vor den Stadtmauern befand.
Blick vom Gruttenstein auf die mittelalterliche Stadt und ins Saalachtal. © J. Lang
Das ehemalige Augustiner-Chorherrenstift St. Zeno, um 1654. © J. Lang
Reichenhall von Kirchberg aus, um 1700. © J. Lang
Nach einer grundlegenden Zerstörung Reichenhalls durch den Salzburger Erzbischof im Jahre 1196 wurde die Stadt in verkleinerter Form wieder aufgebaut. Die vom Bayernherzog neu errichtete Burg Gruttenstein entwickelte sich ab 1218 zur eigentlichen Stadtburg, während ein mächtiger Stadtgraben den Ort gegen das erhöhte Gelände von Bayerisch Gmain absicherte. Gegen Westen schützten der vor den Mauern verlaufende Weisgerber- sowie Hammerbach die Stadt. Durch das „Salzburger Tor“ im Osten führte die in Richtung Innsbruck weisende Fernstraße, um Reichenhall im Westen, am „Tiroler Tor“, wieder zu verlassen. Unmittelbar nordwestlich der Stadt befand sich die für die Holztrift auf der Saalach notwendige Triftanlage, die dazu diente, das angeschwemmte Holz aus dem Fluss herauszuspießen und in den großen Holzhöfen zu lagern.
Die gesamte Anlage nahm etwa noch einmal die Fläche der Stadt in Anspruch. Ebenfalls landschaftsprägend wurden die ab 1745 in imposanter Form im Weichbild der Stadt errichteten Gradierhäuser, die zur Steigerung des Salzgehalts der Sole dienten und den Talboden von Sud nach Nord durchschnitten. Nach einem verheerenden Stadtbrand im Jahre 1834, der rund drei Viertel des Ortes zerstörte, entstand die Saline nach Plänen von Friedrich von Gärtner und Daniel Ohlmüller neu.
Aber erst in der Sogwirkung des 1846 eröffneten „Kurhauses Achselmannstein“ sprengte die Stadt ihr mittelalterliches Korsett und dehnte sich mit der sogenannten „Badvorstadt“ vor allem gegen Osten und Norden aus, wo elegante Villenviertel entstanden. Als neues gesellschaftliches Zentrum erwuchs das beim Gradierwerk gelegene Kurgarten-Ensemble, das in der heutigen Form aus der Zeit um 1900/1912 stammt; hinzu kommt das 1988 eröffnete Kurgastzentrum, in dem sich unter anderem ein Theatersaal sowie eine Spielbank befinden. In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts entstanden im Ortsteil St. Zeno mehrere Schulen sowie Sportstätten.
Wirtschaft
Das in den 1990er Jahren letztmalig erweiterte Krankenhaus in Bad Reichenhall © Baumann-Schicht
Das 1988 eröffnete Kurgastzentrum bildet den Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens in Bad Reichenhall. © Kur-GmbH
Die 2005 fertig gestellte Rupertustherme. © Kur-GmbH
Schwierigkeiten in Reichenhall, die gestiegene Nachfrage nach Salz nicht mehr bedienen zu können, führten in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zur Entstehung von Konkurrenzsalinen. Bis dahin hatte der Ort eine salinarische Monopolstellung für den gesamten Ostalpenraum und große Teile Mitteleuropas beansprucht. Mit der Entstehung der Salinen von Hallein und Berchtesgaden zu Ende des 12. Jahrhunderts geriet Reichenhall ins wirtschaftliche Abseits und spielte als Salzproduzent nur mehr für den bayerischen Raum und Teile Schwabens sowie der Schweiz eine Rolle. Zudem konnte der Standort nur durch kostspielige Investitionen am Leben erhalten werden. Brennholzverknappung führte ab 1619 sowie 1810 zum Bau von Soleleitungen und zur Verlagerung der Salzproduktion nach Traunstein und Rosenheim. Mit der Etablierung des „Kurhauses Achselmannstein“ gelang ab 1846 die Ergänzung um ein zweites wirtschaftliches Standbein: den Kurtourismus, der sich seither zur Haupteinnahmequelle Bad Reichenhalls entwickelt hat.
Eine differenzierte Gastronomie, Hotellerie und ein noch weitgehend intakter Einzelhandels-Mix sind Teil der Kurinfrastruktur, wozu eine ausgeprägte Klinik- und Sanatorienlandschaft mit einer zahlreichen Ärzteschaft gehören. Seit dem Jahre 1934 / 1958 ist Bad Reichenhall zudem Truppenstandort der Gebirgsjäger.
Wappen
Wappen der Stadt Bad Reichenhall
Das seit dem 14. Jahrhundert bezeugte Stadtwappen besitzt einen gespaltenen Schild, der vorn (im linken Feld) die bayerischen Rauten, hinten in Gold einen steigenden, rot bewehrten schwarzen Panther zeigt; somit ergeben sich die Stadtfarben Gold und Schwarz. Rauten und schwarzer Panther sind heraldische Figuren der Wittelsbacher und verweisen auf die enge Verbindung der Stadt mit dem bayerischen Herzogshaus.
Autor/in: Dr. Johannes Lang / Dr. Herbert Pfisterer