Grassau – Markt

Broschüre:
Übersicht Grassau © H. Grabmüller
Übersicht Grassau © H. Grabmüller

Zentraler Ort im Achental

Geschichte

Hartnäckig hält sich in der Literatur die Ableitung des Ortsnamens Grassau von der „grasigen“, manchmal „großen“ Aue im Tal der Tiroler Achen. Flurnamenforscher haben aber längst nachgewiesen, dass Grassau auf das Mittelhochdeutsche graz zurückgeht, das wiederum eine Bezeichnung für Fichten- oder Tannensprossen an den Astenden war. Graz war früher als Viehfutter und Einstreu begehrt. Owe wiederum weist auf eine lichte Auenlandschaft entlang der Ache hin.

 In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts erfolgte die Landnahme des Achentals durch bajuwarische Siedler. Es gibt zwar reiche Bodenfunde, die in die frühe Bronzezeit vor über viertausend Jahren zurückreichen, diese können aber keine Siedlungstätigkeit belegen, sondern allenfalls nachweisen, dass das Tal der Tiroler Achen ein bedeutendes Durchgangstal für Reisende und Warentransporte war. Mit der Besiedelung durch die Bajuwaren entstanden die späteren Grassauer Ortsteile Grafing, Hindling und Reifing, wahrscheinlich auch Mietenkam. Der ursprünglich auf das gesamte Tal bezogene Name Grazzowe wurde schließlich auf das in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts gegründete Kirchdorf übertragen.

Erstmals urkundlich bezeugt ist Grassau erst 1130 im Rahmen einer Grundstücksschenkung des Salzburger Erzbischofs an das Kloster Herrenchiemsee. Die Behauptung, Grassau sei bereits in einem Salzburger Urkundenbuch um 928 erwähnt, beruht auf einer Fehlinterpretation der Quelle.

Ab dem 11. Jahrhundert wurde das „Grassauer Tal“ von den Grafen zu Hohenstein und Marquartstein beherrscht, im 12. Jahrhundert gelangte es in den Besitz der Ortenburger Grafen und wurde schließlich 1259 an den bayerischen Herzog verkauft.

In weltlicher Hinsicht gehörte Grassau von 1280-1799 zum Marquartsteiner Pfleggericht. In dieser Zeit entwickelte es sich als „Amt Grassau“ mit eigenem Gerichtsplatz und Galgen auf dem Kuchelner Berg auch zu einem politischen Mittelpunkt im Achental.

Grassauer Kirche heute © H. Grabmüller
Grassauer Kirche heute © H. Grabmüller

Die Grassauer Pfarrkirche Mariae Himmelfahrt stammt aus dem 12./13. Jahrhundert, muss aber einen Vorgängerbau besessen haben, da bereits um 1115 ein Grassauer Pfarrer namens Chouno bezeugt ist.

Grassauer Kirche (Innenaufnahme) © H. Grabmüller
Grassauer Kirche (Innenaufnahme) © H. Grabmüller

Die auffallende Größe der Kirche und das alte Marienpatrozinium – von allen Marienpatrozinien gilt das Himmelfahrtspatrozinium als das älteste – entsprechen ihrer Bedeutung als Mutterpfarrei für das ganze Achental.

Das Pfleggericht Marquartstein wurde 1799 aufgelöst und 1803 mit dem Traunsteiner Landgericht fusioniert.Zunächst aus steuerpolitischen, später aus verwaltungstechnischen Gründen ging man nunmehr daran, die kleinteiligen, aus Dörfern, Weilern und Einöden bestehenden Siedlungseinheiten zu sog. Steuerdistrikten, 1818 dann zu politischen Gemeinden zusammenzuschließen. Der Steuerdistrikt Grassau umfasste drei ehemalige Dörfer (Grassau, Mietenkam und Piesenhausen), 13 Weiler und 12 Einöden.

1938 verlor Grassau den Ortsteil Loitshausen an die neugegründete Gemeinde Marquartstein, die schon seit den 90-er Jahren des 19. Jahrhunderts um ihre Selbständigkeit gekämpft hatte, aber erst durch obrigkeitliche Verfügung zu ihrem Ziel gelangte.

Weitere Gebietsverluste musste Grassau im Zuge der Gebietsreformen, die in Bayern in den 60-er und 70-er Jahren des 20. Jahrhunderts durchgeführt wurden, hinnehmen, als es seine Ortsteile Niedernfels, Pettendorf und Piesenhausen an Marquartstein verlor (1962). Im Gegenzug gliederte es Rottau ein (1972). Rottau wird erstmalig in den „Baumburger Traditionen“ zwischen 1116 und 1134 erwähnt. Der Name stammt mit großer Wahrscheinlichkeit von der durch Rottauer Gebiet fließenden Rott, die wiederum nach ihrer rötlichen Farbe benannt worden sein soll.

Die Pfarrkirche St. Michael in Rottau ist dem Erzengel Michael geweiht und um 1195 erstmals schriftlich bezeugt. Es handelt sich wohl um eine der ersten Kirchen im Achental, da die Erzengel-Patrozinien zu den ältesten zählen.

Wirtschaft

Zunftstangen auf der Fronleichnamsprozession © H. Grabmüller
Zunftstangen auf der Fronleichnamsprozession © H. Grabmüller

Vermutet wird, dass Grassau bereits im 15. Jahrhundert ein eigenes Marktrecht besessen hat. Einen großen Aufschwung scheint der Ort jedoch ab dem 17./18. Jahrhundert genommen zu haben, als es zum zentralen Sitz mehrerer Handwerkszünfte für das Achental aufstieg.

Zunftlade der Schmiede © H. Grabmüller
Zunftlade der Schmiede © H. Grabmüller

Im 19. und 20. Jahrhundert nahmen Handwerk und Gewerbe erheblich zu, bis schließlich nach dem 2. Welt­krieg mit der Fa. Körting-Radiowerke auch die industrielle Fertigung in Grassau Einzug hielt. 1978 musste Körting Konkurs anmelden, und auch die Nachfolgefirma Gorenje gab 1983 auf – ein herber wirtschaftlicher Rückschlag für Grassau. Heute existieren auf dem „Gewerbepark“ (ehemals Körting-Gelände) mehrere Betriebe, darunter als größte die Fa. KATEK). Für die Zukunft zeichnet sich nach dem Kauf des Geländes durch einen Investor (2016) eine grundlegende Umgestaltung durch den Neubau von Gewerbe- und Wohngebäuden ab.

In Anerkennung seiner wirtschaftlichen Leistung wurde Grassau im Jahr 1965 vom bayerischen Innenminister zur Marktgemeinde erhoben.

Wappen

Das Grassauer Wappen (1951 durch das Staatsministerium des Innern verliehen) stellt einen Feuer speiender blauen Panterkopf dar, der über einer grünen Au schwebt, aus der zwei grüne Grashalme emporwachsen. Der Panterkopf ist dem Kraiburger Panter nachempfunden, der seit 1950 auch Bestandteil des bayerischen Staatswappens ist. Die Grafen von Kraiburg-Ortenburg waren im 12./13. Jahrhundert Herren im Achental und damit auch in Grassau.

Aktuell

Seehöhe 530–1.587 m; Fläche 3.576 ha; 6.762 Einwohner (31.12.2016); Länge der Gemeindestraßen 47 km; Regierungsbezirk Oberbayern, Landkreis Traunstein.

Autor/in: Dr. Hans J. Grabmüller