Marktschellenberg – Markt

Broschüre:
Pfarrkirche St, Nikolaus und Ulrich in Schellenberg, erbaut 1869–1872, mit dem spätgotischen Turm aus der Zeit um 1500. (Foto Oskar Anrather)
Pfarrkirche St, Nikolaus und Ulrich in Schellenberg, erbaut 1869–1872, mit dem spätgotischen Turm aus der Zeit um 1500. (© Oskar Anrather)

Beschaulicher Markt im Zeichen der Salzproduktion

Geschichte

Bereits zur Zeit der Kelten ist für Schellenberg (seit 1928 Marktschellenberg) eine ausgedehnte Almwirtschaft (Kühloch/Zillwand) belegt. Dem im 13. Jahrhundert erstmals bezeugten Siedlungsnamen Schellenberch liegt als Bestimmungswort wohl das mittelhochdeutsche Wort schële (Zuchthengst) zugrunde, das als Hinweis auf frühe Formen der Pferdezucht gedeutet werden kann.

Ansicht des Marktes Schellenberg, Öl auf Holz, um 1800. Unter der alten Nikolauskirche sind die Gebäude der 1805 stillgelegten und 1905 abgebrochenen Saline abgebildet, darüber der Marktplatz mit Marktbrunnen und stattlichen Bürgerhäusern. © Oskar Anrather
Ansicht des Marktes Schellenberg, Öl auf Holz, um 1800. Unter der alten Nikolauskirche sind die Gebäude der 1805 stillgelegten und 1905 abgebrochenen Saline abgebildet, darüber der Marktplatz mit Marktbrunnen und stattlichen Bürgerhäusern. © Oskar Anrather

Für das Entstehen einer Siedlung in Schellenberg gab die Klostergründung des Augustiner-Chorherrenstifts in Berchtesgaden durch das Geschlecht der Grafen von Sulzbach um 1100 Anlass. Die aus dem Mutterkloster Rottenbuch berufenen Kanoniker konnten durch Rodungen, Erwerb der Forst- und Jagdrechte (1156) und des Rechts auf Metall- und Salzabbau (1194) ein eigenes geistliches Territorium ausformen, das sich im 13. Jahrhundert aus dem alten Grafschaftsverband („Grafschaft im Kuchltal“, 1120-1250 Grafen von Plain, 1250-1304 Salzburger Ministerialengeschlecht von Werfen-Gutrat) löste. Schellenberg bildete neben dem Klostermarkt Berchtesgaden den zweiten Marktort innerhalb des kleinen Berchtesgadener Landes, der bürgerliche Rechte und somit einen begrenzten Status an Selbstständigkeit erwerben konnte.

Der Schellenberger Torturm aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. © Oskar Anrather
Der Schellenberger Torturm aus der Mitte des 13. Jahrhunderts. © Oskar Anrather

Der Ort Schellenberg wird erstmals in einer Urkunde des Jahres 1211 erwähnt, die den Holzbezug für die dort bereits bestehende Saline und eine weitere am Tuval (heute Gutratsberg/Götschen) regelte. Die Salzburger Erzbischöfe, die wegen der Nähe zu Hallein die Berchtesgadener Salinen als Konkurrenz empfanden, zwangen die bei ihnen hoch verschuldeten Pröpste zu einer langfristigen Verpfändung Schellenbergs (1389-1556) an das Erzstift. Die Salzproduktion gab ab der Mitte des 13. Jahrhunderts auch die entscheidenden Impulse für das Wachstum des Ortes. Eine dünne Schicht von einflussreichen, ritterlichen Adeligen wie z. B. die Herren von Alm, die auch als Salinenpächter in Hallein und als Bürger in Salzburg auftraten, bildeten die Gruppe der ersten „Bürger“ in Schellenberg, die sich bereits Ende des 13. Jahrhunderts (1296) etablierte. Ein Indiz für die Marktwerdung ist auch das Auftreten eines Marktrichters (1306), der das Niedergericht über den Markt wie auch über die umliegenden „Bürgerlehen“ (Götschen, Unterstein, Schaden, Schneefelden) ausübte, während die Aburteilung von Kriminalfällen dem Berchtesgadener Landrichter zustand. Seit dem Beginn der Frühneuzeit war das Amt des Marktrichters häufig mit dem des leitenden Salinenbeamten, des Hallingers, vereinigt. Die Selbstbezeichnung des locus Schellenberg als Markt ist für das Jahr 1389 bezeugt, das Auftreten eines bürgerlichen Rates, der auch auf den Berchtesgadener Landgerichtstagen die Gemeinde vertrat, 1438. Im Jahre 1525 wurde hier der evangelische Prädikant Eustachius aus Heiterwang, der als Gefangener nach Mittersill überstellt werden sollte, von widersetzlichen Bauernburschen befreit; deren Hinrichtung führte zum Ausbruch des großen Salzburger Bauernkriegs.

Die 1407 erstmals genannte Schellenberger Kirche des hl. Nikolaus (Neubau 1870/72), war zunächst eine Filialkirche der Pfarrei Berchtesgaden, besaß aber bereits 1419 einen eigenen Pfarrvikar und konnte sich im 15. Jahrhundert (1494) zu einer eigenständigen Seelsorgestelle entwickeln. Dieser Pfarrei waren später die Filialen St. Leonhard bei Grödig (1594), das zwar im Land Salzburg lag, aber zur Gänze der Grundherrschaft von Berchtesgaden unterstand, Maria Ettenberg (1695) und Friedensberg (1710) zugeordnet. Zu Beginn standen der Pfarrei häufig Berchtesgadener Chorherren vor, die mitunter auch das bedeutende Amt des Salinenverwalters innehatten. Die Säkularisation der Fürstpropstei Berchtesgaden (1803) brachte nach wechselnden Machtverhältnissen 1810 auch für Schellenberg eine Angliederung an das Königreich Bayern.

Ortsbild

Der auf Salzverarbeitung spezialisierte Ort entfaltete sich zu beiden Seiten der Berchtesgadener Ache und erhielt sein Zentrum durch das Salinengebäude und die gegenüber liegende Kirche St. Nikolaus. Rund um einen kleinen Marktplatz, der am nördlichen Brückenkopf der Ache entstand, sammelten sich die wichtigsten Gebäude des Marktes sowie der stiftischen Verwaltung (Hallingamt, Gegenschreiberamt, Hofschmiede, Mühle und Backhaus 1299, Küfwerk 1258). Der untere Bereich der Salzburger Straße zeigt eine geschlossene Bebauung mit im Kern oft bis in das Spätmittelalter zurückreichenden Wohngebäuden, deren dreistöckige Bauweise dem Straßenbild urbanen Charakter verleiht.

Durch die Lage am engen Talgrund der Ache hatte Schellenberg in allen Jahrhunderten häufig unter Hochwasser, Plaiken und Erdrutschen zu leiden (1622-1899: 10 Katastrophenfälle). Nach dem Abbruch des Salinengebäudes (1906) wurde das dortige Gelände für den Neubau einer bis an den Königssee führende Linie der Lokalbahn Salzburg – St. Leonhard – Berchtesgaden („Rote Elektrische“) genutzt, die allerdings nach nur zwei Jahrzehnten auf „Führerbefehl“ 1938 wieder eingestellt wurde. An ihrer Stelle führt heute die Bundesstraße 305 nach Berchtesgaden.

Wirtschaft

Die intensivere Nutzung des Salzbergbaus (untertägiges Laugwerkverfahren, Eröffnung des „Petersbergstollens“ in Berchtesgaden 1517) brachte im 16. Jahrhundert eine Produktionssteigerung der Salinen mit sich. Die in den Berchtesgadener Bergwerken gewonnene Sole wurde bis 1805 auch nach Schellenberg zur weiteren Verarbeitung geleitet. Das dortige Salzsudamt beschäftigte am Ende des 18. Jhs. etwa 60 Beamte und Angestellte (Salzgegenschreiber, Schaffer, Pfannhauser, Küfer, Zimmerleute etc.). Mehr als 90 % der Salzproduktion dienten dem Export, der über die Ausfuhrstraßen am Hallturm und Hirschbichl sowie an der Berchtesgadener Ache über Schellenberg erfolgte.

Mit dem Ende der Schellenberger Saline, die nach über 700-jährigem Bestehen im Jahr 1805 geschlossen wurde, ging eine große Verarmung des Ortes einher. Verschiedene Versuche, dieser Not entgegenzusteuern (Einrichtung einer Salzsackmanufaktur und Küferei in der ehemaligen Saline 1818-1872), scheiterten. Durch das weitgehende Fehlen anderer Gewerbszweige – abgesehen vom Handel mit Holzwaren durch die Verlegerfamilie Krueger – konnte dem Niedergang Schellenbergs letztlich nicht entgegengesteuert werden. Eine allmähliche Erholung brachten erst das 20. Jahrhundert und der beginnende Tourismus.

Der nur wenige Kilometer vom Salzburger Umland entfernte Grenzort bietet heute vor allem naturräumliche Attraktionen. Die bekannte, 1874 erstmals von Anton von Posselt-Czorich erforschte Schellenberger Eishöhle am Untersberg kann als Schauhöhle mit fachkundigen Führungen durch den „Verein für Höhlenkunde Schellenberg“ besucht werden. Die wildromantische Schlucht der 1861/65 durch einen Steig erschlossenen Almbachklamm birgt nicht nur interessante Wandermöglichkeiten, sondern auch die älteste Marmorkugelmühle Deutschlands (seit 1683).

Wappen

Das Ortswappen von Marktschellenberg zeigt in Blau eine mit einem sechsstrahligen blauen Stern belegte silberne Salzkufe, dahinter schräg gekreuzt einen goldenen und silbernen Schlüssel. Es sind dies Symbole für die Berchtesgadener Landeshoheit (Kirchenpatron der Stiftskirche Simon Petrus) und die vormalige Bedeutung Marktschellenbergs als Salinenstandort. Der Stern ist eine Reminiszenz an das einstige Ministerialengeschlecht von Gutrat als ehemalige Gerichtsherren der „Grafschaft im Kuchltal“, in deren Einflussbereich auch Schellenberg lag. Die Übernahme dieses Wappens beendete 1964 einen fast hundert Jahre wahrenden Streit, da zuvor auch andere Varianten (blauer Stern; Löwe mit Salzfass, -haken und -schaufel; Salzkufe in grünem Schild) in Verwendung standen.

Aktuell

Seehöhe 503 m, Fläche 17,66 km², 1.823 Einwohner (2008), Regierungsbezirk Oberbayern, Landkreis Berchtesgadener Land.

Autor/in: Kerstin Lengger