Der jetzt durchgehend gepflasterte Marktplatz © Tourist-Info Waginger See / Richard Scheuerecker Wiege der Bayern
Geschichte
Bereits im ältesten Salzburger Güterverzeichnis „Notitia Arnonis“, das Bischof Arno von 788 bis 790 n. Chr. aufstellen ließ, ist als Geschenk des bayerischen Herzogs Theodbert an das Kloster Nonnberg zu Salzburg ein Ort im Chiemgau namens Uuaginga genannt. Der Ortsname ist vom Personennamen Wago abgeleitet, wohl dem Führer der ersten bayerischen Siedlergruppe. Dass Waging schon im frühen Mittelalter besiedelt wurde, zeigt das große baiuwarische Reihengräberfeld aus dem 6. und 7. Jahrhundert im Ortsbereich, dessen Funde heute im Bajuwarenmuseum zu besichtigen sind. Die zum Gräberfeld gehörende Baiuwarensiedlung ist wohl von den Gebäuden des heutigen Waging überbaut worden.
Gewandfibeln im Bajuwarenmuseum. © Tourist-Info Waging
Salzburg blieb etwa 1000 Jahre lang politisch und kirchlich für den Ort und sein Umland bestimmend. Die Entwicklung in dieser Zeit ist überwiegend als positiv zu bezeichnen. Erst als zu Beginn des 19. Jahrhunderts Napoleon die politische Landkarte Europas veränderte, wurde die gedeihliche Verbindung abgebrochen. Das gesamte geistliche Fürstentum Salzburg wurde 1810 dem neu gegründeten Königreich Bayern und schließlich 1816 Österreich zugeordnet. Nur die Gebiete links der Salzach und Saalach, der so genannte „Rupertiwinkel“ mit den Städten Laufen und Tittmoning und den Märkten Waging und Teisendorf, verblieben damals bei Bayern.
Ein weiteres einschneidendes Ereignis in der historischen Entwicklung ist die im Jahr 1385 erstmals urkundlich nachweisbare Bezeichnung des Ortes als „Markt“ und seiner Bewohner als „Bürger“. Für den Erhalt des Marktprivilegs waren einige Voraussetzungen erforderlich. So muss Waging damals bereits zu einer beachtlichen Größe angewachsen sein und sicherlich haben die Lage an einer bedeutenden Salzstraße, die nahegelegene Schranne, also der Gerichtsplatz des Pfleggerichtes Halmberg, sowie der Sitz eines erzbischöflichen Urbaramts, also einer Behörde zur Verwaltung des erzbischöflichen Grundbesitzes, zur Markterhebung beigetragen. Mit dem Marktrecht wurde Waging z. B. das Recht zugesprochen, den Weinpreis zu bestimmen und Maße und Gewichte festzusetzen. Mehrere Erweiterungen des Marktrechtes, wie z. B. 1521 der wöchentliche Markt und 1541 ein Pferdemarkt, ließen Waging zu einem wirtschaftlichen Zentrum der Region werden.
Zur Blüte gelangte der Ort jedoch in den folgenden Jahrhunderten, nachdem 1560/65 die Pfleggerichte Halmberg und Tettelham mit dem Urbaramt Waging zusammengelegt wurden. Mit dem Pfleggericht war die bedeutendste Behörde des Umlandes im Markt angesiedelt und auch der Pfarrsprengel wurde im Laufe der Zeit mehrmals erweitert. Das damit entstandene große Einzugsgebiet forderte die Entwicklung des Ortes sehr. So ließen Amtsbesucher, Mitglieder der Kirchengemeinden, die Teilnehmer an den Märkten und Fuhrleute auf der Durchreise manchen Gulden im Ort, was heute noch an den stattlichen Häusern im Dorfzentrum und an der prachtvollen Ausstattung der Pfarrkirche St. Martin zu erkennen ist.
Ortsbild
Seit der Absenkung des Seespiegels um zwei Meter im Jahre 1867 liegt der Markt nicht mehr direkt am Ufer des Waginger Sees, sondern ist davon ein Stück abgerückt. Der Ortskern ist geprägt von zwei- und dreigeschossigen Häusern mit einer Mischung aus Wohnraum und kleinen Gewerbeeinheiten in Form von Einzelhandels-, Dienstleistungs- und Handwerksbetrieben, die im späten 18. und 19. Jahrhundert ihre größte Blüte hatten. Ein Teil der Häuser mit den weit vorstehenden Flachsatteldächern erinnert an den aus Holzbalken gezimmerten Haustyp, der nach den großen Brandkatastrophen von 1611 und 1763 mehr und mehr zurückgedrängt worden ist. Ebenso findet sich der Haustyp der Inn-Salzach-Städte mit hinter Blendgiebeln und Vorschussmauern versenkten Dächern. Beim ehemaligen salzburgischen Pfleggerichtsgebäude in der Bahnhofstraße zeigt sich mit dem großen vorkragenden Schopfwalmdach der Salzburger Einfluss. Ein ähnlicher Bau ist der große, den Marktplatz beherrschende ehemalige Brauereigasthof.
Blick über den Waginger See © Tourist-Info Waginger / Richard Scheuerecker See
© Tourist-Info Waginger See / Richard Scheuerecker
Blick in die Berge © Tourist-Info Waginger See / Richard Scheuerecker
Die Wilhelm-Scharnow-Straße ist eine Handwerkergasse, die sich durch lebendige Vielfalt ihrer Häuserfronten und Dachformen sowie durch malerische Einblicke auszeichnet. Der Gesamteindruck der Seestraße wird vom Martinihof, dem ehemaligen Pfarrhof, und der Pfarrkirche St. Martin bestimmt. Diese 1611 unter Einbeziehung älterer Bauteile errichtete Kirche, die einen Turm mit einer auffallenden zweifach gedoppelten Zwiebelhaube besitzt, ist eine dreischiffige Basilika. Die reiche Innenausstattung entstammt größtenteils dem Barock und Rokoko. Dabei ist vor allem die prächtige Kanzel hervorzuheben.
Die Hinwendung zum Tourismus und der wachsende Stolz der Bürger auf ihren Heimatort trugen bei der vor einigen Jahren durchgeführten Dorfsanierung und der Umgestaltung des Dorfkerns zum Gelingen dieses ehrgeizigen Projektes bei. Die zunehmende Verkehrsbelastung in der Ortsmitte hatte, vor allem saisonbedingt in den Sommermonaten, zu einem spürbaren Attraktivitätsverlust geführt. Hier Abhilfe zu schaffen und die historische Prägung des Ortsbildes zu erhalten, waren die wichtigsten Ziele. Nach großen Umgestaltungsmaßnahmen wie der durchgehenden Pflasterung des Marktplatzes, an dem wie schon in früherer Zeit die wichtigsten innerörtlichen, nun verkehrsberuhigten Straßen zusammenmünden, und der denkmalgerechten Restaurierung der Bürgerhäuser ist Waging zu einem idyllischen Fremdenverkehrsort mit Platz für Straßencafés und Geschäftsauslagen geworden, der Bewohner und Gäste zum Bummeln und Promenieren einlädt.
Wirtschaft
Die wirtschaftliche Bedeutung Wagings schwand mit der Eingliederung des Rupertiwinkels in das Königreich Bayern und ließ den Ort die folgenden eineinhalb Jahrhunderte als stillen Marktflecken im Grenzgebiet zu Österreich dahindämmern. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg siedelten sich einige größere Betriebe an, darunter eine Bootswerft, eine Firma für Fahrzeugbau und eine bedeutende Käserei. Vor allem der Fremdenverkehr, der den Markt als „Luftkurort am wärmsten See Oberbayerns“ erfolgreich vermarktet, ließ den Ort wieder aufblühen.
Wappen
Das Wappen des Marktes zeigt folgendes Bild: In Blau auf grünem Boden der silbern nimbierte, golden gerüstete heilige Martin auf schwarz gezäumtem silbernem Ross, der mit dem silbernen Schwert ein Stück seines roten Mantels dem auf dem Boden sitzenden Bettler zuteilt. Der heilige Martin ist der Patron der Pfarrkirche und des Ortes. Das Bild des heiligen Martin mit dem Bettler erscheint bereits auf dem ersten bekannten Ortssiegel im 17. Jh..
Aktuell
Seehöhe 465 m, Fläche 48,86 km2, 6.333 Einwohner (2008), Regierungsbezirk Oberbayern, Landkreis Traunstein.
Von den kulturellen Einrichtungen ist vor allem das Bajuwarenmuseum mit seinen vor Ort ausgegrabenen Bodenfunden, die das Leben der Menschen im frühen Mittelalter dokumentieren, hervorzuheben.
Autor/in: Dr. Christian Soika